90k Ultrarennen Camino de la Cruz

Christian Waldheim - Camino de la Cruz Caravaca

Mein Triumph über die Grenzen des Körpers und des Geistes

Die Komfortzone

Unsere Komfortzone präsentiert sich uns als ein Gebiet, in dem wir uns sicher und vertraut fühlen. Das Verlassen der eigenen Komfortzone ist immer ein Sprung ins Unbekannte, ins kalte Wasser.  

Doch es gibt Momente im Leben, die uns förmlich dazu zwingen, über uns hinauszuwachsen und uns neuen Herausforderungen zu stellen. Das erfordert Willen, Überwindung und Mut. Diesen Mut kann oder will nicht jeder Mensch aufbringen.

Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass wahres Wachstum nur außerhalb dieser Zone stattfindet. Wenn wir uns dem Unbekannten stellen, erleben wir nicht nur persönliches Wachstum, sondern auch eine tiefgreifende Veränderung in unserer Perspektive auf das Leben. Wer einmal die Erfahrung gemacht hat, sich seinen Ängsten und Sorgen gestellt hat und den Mut hatte, seine eigene Komfortzone zu verlassen weiß, dass diese Erfahrung nicht nur die Widerstandsfähigkeit gegenüber jeder weiterer Lebensherausforderung stärkt, sondern auch die Fähigkeit steigert, Veränderungen in Gänze anzunehmen und diese als Chance und nicht als Risiko zu verstehen.

Mit meinem besonderen Fokus auf die intensiven Erfahrungen meines ersten Ultrarennens tauchen wir nun ein in die Welt des Komfortzonenverlassens.

Murcia - Ferie del corredores

Der Anfang

Ende 2022 wurde mir bei Facebook erstmalig ein Foto dieses Rennens angezeigt. Neugierig wie ich bin, las ich den Text und informierte mich gleich auf der Internetseite des Veranstalters. Nachdem ich wenige Zeilen las, war mir sofort klar:
DAS ist meine sportliche Herausforderung 2023!

„Dieses Rennen ist kein Zuckerschlecken Christian.“, dachte ich bei mir, als ich das Anmeldeformular ausfüllte und verschickte. Nun hieß es einmal mehr, für die Erreichung meines Ziels aus der eigenen Komfortzone herauszutreten.

Die Reise

Ultrarennen sind nicht nur physische Herausforderungen, sondern auch ein Kampf des Geistes. Ein solches Rennen steht sinnbildlich dafür, über Deine eigenen Grenzen hinausgehen zu müssen, wenn Du Dein und das Ziel erreichen willst.

Ein Ultrarennen, wie das 90k Camino da la Cruz ist eine Metapher für eine Reise. Und mir war klar, dass es von der Anmeldung bis zum Tag des Rennens eine sehr lange Reise sein wird. Eine Reise mit vielen Monaten harter Vorbereitung. Eine Reise, die meinen Körper und meinen Geist oft an ihre Grenzen brachte. Doch es war meine Reise. Meine Reise zum Selbstwachstum.

Kurz nach der Anmeldung begann ich damit, mir Trainingspläne im Internet anzuschauen. Das Rennen, welches am 7. Oktober 2023 stattfand, bedurfte einer mindestens 12-wöchtigen Vorbereitung. Dies bedeutet, auch die heißen Sommermonate Juli und August sind als Trainingsmonate unumgänglich. Hilfreich bei all den Vorbereitungen waren auch meine Compis vom Club Trail Running Alicante, die mit Rat und Tat zur Seite standen, mir Tipps gaben und mir stets Mut zusprachen. Danke für Eure Unterstützung!

Wochen und Monate vergingen. Die Kilometer, die ich auf Alicantes Strassen und Berge zurücklegte, stiegen von Monat zu Monat an. Körperlich war ich sehr gut in Form und vorbereitet. Den Körper vorzubereiten ist das eine, die mentale Vorbereitung eine ganz andere Sache. Wie gut, dass meine letzte sportliche Grenzerfahrung mir noch so gut in Erinnerung ist. Gerne erinnere ich mich an den Juli 2020 zurück. Mit dem Fahrrad (kein E-Bike) einmal quer durch Deutschland. Von Flensburg bis zur Zugspitze. 1.400 Kilometer. 13.792 Höhenmeter. 112 Stunden auf dem Fahrrad. Was bei dieser Herausforderung weitaus wichtiger war als die körperliche Belastung, war die mentale Stärke. Ich wußte, dass auch dies bei diesem Rennen der Schlüssel zum Erfolg sein wird. Und dann kam der Tag der Wahrheit.

Das Rennen Die Nacht war kurz vom 6. auf den 7. Oktober 2023. Der Wecker klingelte um 4.00 Uhr. Nach vier Stunden Schlaf die erste Hürde, sich aus dem Bett zu quälen.

Kein Frühstück. Lediglich ein Proteindrink, einen Riegel und zwei Eier gab es. 5.20 Uhr ging es aus dem Hotel direkt zum Start. Stille und Dunkelheit lagen über der Stadt Murcia. Der Countdown lief, der Puls stieg. Die Emotionen auch. Jeder Läufer kennt diesen Moment vor einem Rennen, wenn die Aufregung auf Angst trifft. Und dann ging es endlich los – 90 Kilometer lagen nun vor mir und allen anderen Mitstreitern.

Kilometer um Kilometer wurden mir auf meiner Sportuhr angezeigt. Die Dunkelheit der Nacht wich dem Morgengrauen, der Morgengrauen dem Tag. Und mit jedem Kilometer, den ich mehr hinter mich brachte, kam ich dem Ziel in Caravaca näher. Begann der Tag noch etwas kühler und bedeckt, verzogen sich die Wolken ab Kilometer 30 komplett und die Oktobersonne zeigte all Ihre Stärke und brannte mit 33 Grad für die restlichen 60 Kilometer Strecke auf uns nieder. Die Hitze war unerbittlich, und jeder Schritt erforderte immense Willenskraft. Doch stets hielt ich das Ziel vor Augen, immer weiter zu rennen, den inneren Schweinehund zu besiegen und am Ende des Tages die Ziellinie zu überqueren.

Ein Ultrarennen ist eine emotionale Achterbahn, ein Mikrokosmos des Lebens. Der euphorische Start, die mühsamen Kilometer und der triumphale Zieleinlauf. Jede dieser Etappen fordert dich nicht nur physisch, sondern auch mental. Höhen und Tiefen eines Rennens spiegeln die Herausforderungen des Lebens wider.

Zu der so wichtigen mentalen Stärke zähle ich auch ein positives Mindset. Ich traf viele Läufer unterwegs, die stets davon sprachen, wie viele Kilometer es doch noch zum Ziel wären. Ich entgegnete ihnen immer, sie sollen lieber daran denken, wie viele Kilometer sie bereits hinter sich gelegt haben. Das Glas ist halbleer oder eben halbvoll. Es ist immer eine Sache der Perspektive.

Und irgendwann war es dann soweit. Das Ortsschild von Caravaca ließ uns alle wissen, dass das Ziel nun wirklich in Greifnähe liegt. Umso mehr hat es mich gefreut, als Compi Dani mir circa 1.500 Meter vor dem Ziel entgegenlief, um mich auf meinen letzten Metern zu begleiten. Danke Dani. Das war ganz grosses Kino!

Noch 400 Meter, eine Rampe und dann durch eine enge Gasse zum Ziel.

Und dann war er da – der Moment, auf den ich monatelange hingearbeitet habe. Ich hatte es geschafft: 94,25 Kilometer, 14:02: Stunden. Im Zieleinlauf überkam mich ein unbeschreibliches Gefühl. Die Strapazen, die Hitze, die endlosen Kilometer – in diesem Moment fiel alles von mir ab. Und alles war es wert. Der Triumph über die eigenen Grenzen, die Erfahrung, dieses gewaltige Rennen geschafft zu haben, war unvergleichlich. Durchhaltevermögen, Fokus, körperliche und mentale Fitness sowie meine positive Denkweise trugen mich über die Ziellinie.

Christian Waldheim - Camino de la Cruz Caravaca

Das Fazit

Das Verlassen der Komfortzone war eine Einladung an mein eigenes Selbst und eine Aufforderung zu wachsen und zu gedeihen. So ein Ultrarennen mag wie eine extreme Form erscheinen, doch die Prinzipien sind universell. Jeder Schritt und jeder Atemzug während des Rennens war ein Schritt in Richtung persönlicher Weiterentwicklung. In den Herausforderungen des Lebens finden wir nicht nur unsere Grenzen, sondern auch die unbegrenzte Kraft, sie zu überwinden.

Eine Reise, die sich gelohnt hat.